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Einsame Menschen

nach Gerhart Hauptmann

„Dass man so glücklich sein kann in einer Familie!
Mir ist so was ganz fremd gewesen… Bis jetzt.“
Anna Mahr in Einsame Menschen

Bei Familie Vockerat schwinden zunehmend Harmonie, Vertrauen und Wertschätzung. Spätestens nach der Taufe des Sohnes von Johannes und Käthe fällt der Vater in eine Sinn- und Lebenskrise. Mit seiner wissenschaftlichen Arbeit kommt er nicht voran, seine Ehefrau Käthe hält er für ungebildet und gleichgültig. Johannes‘ Vater spricht ihm ins Gewissen und appelliert unaufhörlich an dessen Glauben, den Johannes aber längst verloren hat. Selbst seine einzige Freundschaft setzt er auf`s Spiel, in dem er narzisstisch seinen vermeintlich richtigen Zielen folgt.

Ablenkung verspricht er sich von Anna Mahr, einer hübschen, jungen Studentin, die ihm von seinem bestem Freund Braun vorgestellt wird. Mit kindlicher Kränkung folgt der junge Familienvater seinen Instinkten und nähert sich unausweichlich dem Scheitern in Allem. Das lange eisern gewahrte idyllische Familienbild bricht auf, die moralischen Abgründe werden stetig tiefer und die entstandene Dynamik ist längst nicht mehr aufzuhalten. Rette sich wer kann und will.

Die Inszenierung zeigt fernab einer naturalistischen Spielweise ein gestörtes Familienleben, das sich heute z. B. in immer höheren Trennungs- und Scheidungsraten offenbart. Warum scheint ein Zusammenleben über größere Zeiträume in der modernen Gesellschaft fast unmöglich? Mangelnde Konflikt- und Kompromissfähigkeit des Einzelnen? Gibt es heute zu viele Möglichkeiten sein Leben zu gestalten? Siegt der Egoismus? Lethargie und Euphorie wechseln sich ab. In der Kommunikation krankt man häufig an der Oberfläche und verharrt im Aneinander-Vorbei.

Wenn die Protagonisten der Inszenierung schließlich alleine zurückbleiben, muss sich jeder die Frage stellen: Ende oder Neuanfang?

Einsame Menschen, entstanden Ende des 19. Jahrhunderts, gehört zu den unbekannteren Hauptmann-Dramen und erlebt in den letzten Jahren eine kleine Renaissance. Es ist das zweite Happy-Public-Domain-Stück der Cammerspiele. Gerhart Hauptmanns Texte sind seit 2017 gemeinfrei.

Diese Produktion wird u.a. unterstützt von Galeria Kaufhof Leipzig und Globus Baumarkt Leipzig-Wachau.


Besetzung: Jennifer Demmel, Victoria Schaetzle, Thomas Deubel, Falko Köpp, Dietmar Voigt | Regie: Danilo Riedl | Dramaturgie: Christoph Awe | Regieassistenz: Lisa Schulze | Kostümberatung: Josef Weitenbörner | Fotos: Mathias Schäfer


Friederike Ostwald | Leipziger Volkszeitung | 09.06.2017: „Das dramaturgische Gespür des Regisseurs trifft hier auf ein Ensemble, das bereit ist, sein Innerstes zur Schau zu stellen. Die stärksten Momente sind demnach auch die, in denen das Spiel im Vordergrund steht und die Darsteller ihr fantastisches Talent zeigen können.“


Danilo Riedl, *1982, ist Geprüfter Kulturmanager (DAM), lebt und arbeitet als freier Regisseur und Schauspieler in Leipzig. Er war bereits in über 20 Produktionen als Regisseur und Schauspieler an den Cammerspielen tätig, daneben auch in zahlreichen anderen Projekten der Freien Szene Leipzigs. Von 2008-2010 arbeitete er am Centraltheater Leipzig als Regieassistent (u.a. bei Martin Laberenz, Sascha Hawemann und Martina Eitner-Acheampong). 2010 gewann er als Schauspieler den Sächsischen Amateurtheaterpreis für die Cammerspiele-Produktion „Darjeeling Express“ (Regie: Christian Hanisch). Im Juni 2016 feierte seine letzte Inszenierung BLONDI ODER DIE SEXUELLEN NEUROSEN DER EVA BRAUN in den Cammerspielen Premiere.