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196ff – Dokumentationen rechter Tötungen in Deutschland seit 1990

eine Produktion von DAS ÜZ in Kooperation mit den Cammerspielen Leipzig

Als sich Ende 2011 der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) selbst enttarnte, ging ein Schock durch Deutschland. Wie konnte eine rechtsextreme Terrorzelle – getragen von einem Netzwerk, darunter auch V-Leute des Verfassungsschutzes – über 20 Jahre unbemerkt morden? Wie konnte sie Sprengstoffanschläge verüben und Raubüberfälle begehen, ohne dass die Behörden die Zusammenhänge erfassten und handelten?

Im Zuge des Prozesses gegen den NSU, sowie der Ermittlungen der acht parlamentarischen Ausschüsse zu den Hintergründen, stellten sich auch die Fragen, wie „Politisch motivierte Kriminalität – Rechts“ (PMK-R), besser zu erkennen sei und welche Kriterien dafür maßgeblich sind. Auf Geheiß des Bundesinnenministeriums (BMI) überprüften das BKA und alle Landeskriminalämter über 3.300 unaufgeklärte, versuchte und vollendete Tötungsdelikte auf ein rechtsextremes Tatmotiv.

Die ZEIT und der TAGESSPIEGEL veröffentlichten Ende 2018 eine weitaus umfangreichere Liste der Opfer von PMK-R. Die Amadeu Antonio Stiftung war Teil eines unabhängigen Expertenkreises zur Aufarbeitung möglicher rechtsextremer Mordfälle in Brandenburg. Seit dem schreibt sie die Liste kontinuierlich fort. Stand August 2019 (Arbeitsbeginn am Projekt): 196 Opfer von PMK-Rechts. Im Februar 2020 zählt die Liste bereits 208 Menschen.

Das Projekt 196ff macht diese Liste öffentlich. In einer frei begehbaren räumlichen Installation werden die Opfergeschichten dokumentiert. Schaufensterpuppen werden via Projektion zum Sprechen gebracht. Sie schildern die Namen der Opfer und die Umstände der Tat, sachlich, deutlich und unerbittlich. Eine Zumutung, der sich auszusetzen, gerade in Anbetracht der aktuellen politischen Situation, absolut notwendig erscheint.


 

Konzeption/ Regie: Ricardo Endt, Christian Hanisch | Video-/Audio: Franz Hauptvogel | Performer: Ricardo Endt, Johannes Gabriel, Gwen Kyrg, Marco Runge, Victoria Weber


Steffen Georgi | Leipziger Volkszeitung | 14.09.2019: „Der aufklärerische Impetus liegt hier nicht nur auf der Hand, er brennt vielmehr auf den Nägeln. Gleichwohl taten Ricardo Endt und Christian Hanisch (Konzept/Regie) gut daran, ihre Installation in ein kühl-surreales Setting Distanz schaffender Verfremdung zu betten. Vorm Publikum abgetrennt lesen die Performer die Texte … während ihre Gesichter auf im Bühnenraum verteilte Schaufensterpuppen projiziert werden und sich ihre Stimmen aus den Lautsprechern mal überlagern, sie mal im Wechsel, mal chorisch erklingen. (…) Der Effekt, der dabei entsteht, ist der einer Unentrinnbarkeit, eines Insistierens. Es gibt kein Entkommen vor diesen Geschehnissen, kein Kopf-in-den-Sand-stecken. Denn wovon „196ff“ Zeugnis ablegt, ist eine Wirklichkeit, in der sich Hannah Arendts berühmte und sprichwörtliche „Banalität des Bösen“ einmal mehr als die dumpfe Brutalität des Bösen offenbart. Dass dieses Böse (und ja: Man kann hier diesen Terminus getrost benutzen) zudem gerade auch in seinen verbalen Selbstentäußerungen nach wie vor vor grausamer Stupidität und Lächerlichkeit, vor geistiger Banalität also, trieft, darf über seine Gefährlichkeit nicht hinwegtäuschen. Das ist man allein schon den Todesopfern schuldig. Die zwei letzten gab es vor wenigen Tagen in Halle.“


 

Die Gastspiele werden ermöglicht von der Amadeo Antonio Stiftung und der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen.


Links:
https://196ff.wordpress.com/2020/02/14/main/
http://dasuez.blogspot.com/2021/01/196ff-dokumentation-rechter-totungen-in.html