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1000 Gram (Berlin)

CammerConcerts #55

Sind Gitarren die besseren Menschen? Auf jeden Fall sind sie Autofahrt, vorbeiziehende Wolken, Küsse, Drogen, Tränen, sie sind der Weg zurück aus dem Wald und die Stunden Umherirren in einer fremden Stadt. Und immer sind sie Erinnerung.

Das eröffnende Schrammeln von „It’s a shame about Ray“ der Lemonheads ist ganz klar ein Sommertag. Jede gebogene Saite bei Dinosaur Jr. ist eine Einstellung zum Leben, die kreisenden Akkorde von Buffalo Toms „Taillights Fade“ eine letzte Begegnung und die rasselnden Gitarren von Broken Social Scenes „Halfway Home“ der Höhepunkt einer Party im Schummerlicht.

Foto: 1000 Gram

Und wissen Sie, was merkwürdig ist? Ohne Mühe lässt sich jedes Lied der neuen Platte des internationalen Indie-Konsortiums 1000 Gram in diese Aufzählung einreihen. Zu „I like you“ sind wir seinerzeit in den Süden gefahren, mit offenem Fenster. Die surrenden elektrischen Gitarren von „Galloping breeze“ haben uns nachts in der U-Bahn vor dem Wahnsinn bewahrt. Das wie an einem Faden gezogene „Sleep all day“ mit der vertrauten Stimme von Moritz Lieberkühn wurde auf jedem entspannten Festival gespielt, auf dem wir je waren. Oder sein werden?

Wie kann das sein? „By all dreams necessary“ ist eine Platte, die wir längst besitzen und doch noch nie gehört haben. Sie ist Erinnerung und Hoffnung, schwirrt um uns herum wie ein längst vergessener Traum und stiftet uns zu Unfug an, den wir erst nächstes Jahr machen werden. Musik aus einer verlorenen Zeit, die noch vor uns liegt. Ein jauchzendes „Bald war alles besser“.

Derartige Musik können womöglich nur Menschen machen, die der Wind zusammengeführt hat: Der West-Berliner Halbschwede Moritz Lieberkühn (Gesang, Gitarre), der Finne Arne Braun (Gitarre), der Österreicher Paul Santner (Bass), der Schwede Alexander Simm (Gitarre) und der Deutsche Lukas Akintaya (Schlagzeug) sind 1000 Gram. Obwohl hier der Indie-Rock der Neunziger, Nuller und Zehner regiert, könnte das Gram im Bandnamen auch aus 1000 Gram- Parson-Songs stammen.

Aufgenommen wurde „By all dreams necessary“ unter der Obhut von Moses Schneider bei Ingo Krauss im Candy Bomber Studio.

Ach ja, eine Frage bleibt: Wie will man nicht sofort ein Album hören wollen, dessen Name eines der wunderbarsten Wortspiele seit Langem ist? Sehen Sie. Immerhin das weiß ich. Man will. Und muss.


CammerConcerts – Die Reihe:
Livemusik, die einfach gut ist. Einmal im Monat geben sich Singer/Songwriter, Newcomer und Bands zwischen Pop und Folk aus Leipzig, Deutschland und Europa die Ehre. Die Theaterbühne wird zur Plattform für handgemachte Musik. Der ganze Saal vibriert im Konzert. Infos: www.facebook.com/CammerConcerts