„Hinab denn und nicht gezagt! “
Thomas Mann in Joseph und seine Brüder
„Hinab denn! Nicht viel tiefer als dreitausend Jahre tief – und was ist das im Vergleich mit dem Bodenlosen!“ Die Cammerspiele Leipzig inszenieren die ersten beiden Bände des umfangreichsten Werks von Thomas Mann. Das Publikum erlebt die Geschichten Jaakobs und das Heranwachsen seines Sohnes Joseph.
Vier Darsteller tauchen hinab in den Brunnen der mythischen Zeit und machen Geschichte und Geschichten sichtbar. Sie erzählen uns vom Leben Jaakobs, wie er seinen Bruder Esau betrügt und wie er viele Jahre dienen muss, um schließlich seine Frau Rahel zu ehelichen. Jaakob zeugt zwölf Söhne, doch nur Joseph ist der rechte, denn er ist der Erstgeborene der Lieblingsfrau. Wir beobachten, wie das Hirtenvolk Rituale und Erzählungen weitergibt, sie respektiert und zum Vorbild für das eigene Leben nimmt. Und das Geschehene wiederholt sich, wenn Joseph den älteren Ruben um den Erstgeburtssegen betrügt und die Brüder gegen sich aufbringt. Jaakob und sein Sohn Joseph versuchen diesem Kreislauf auf neuen Wegen zu entfliehen.
Die Inszenierung steigt hinab in den Brunnen der Vergangenheit. Spieler und Publikum werden Teil der mythischen Zeit, in der die Figuren auf der Bühne leben, in der alles Vergangene und Zukünftige Vorhersehung und Schicksal ist. Joseph wird in die Grube gestoßen – findet er nun seinen eigenen Weg?
Regie/ Dramaturgie/ Konzeption: Christian Hanisch, Susann Schreiber | Es spielen: Thomas Deubel, Jenny Kühl, Diana Nitschke, Sabrina Weidner | Assistenz: Michaela Günold
LVZ (Insa van der Berg): „So ist ‚Joseph und seine Brüder‘ nicht nur eine Nacherzählung biblischer Mythen oder eine theatrale Abbildung des Mannschen Werks, sondern vielmehr eine – teils verstörende – Studie über das menschliche Wesen.“
Chronisch Kranke, Rollstuhlfahrer und geschiedene Paare mit Kindern. Sie alle fallen im Bedarfsfall unter die neue Härtefallregelung nach dem SGB II und können Geld für Salben gegen Neurodermitis, Hygieneartikel, Putz- und Haushaltshilfen oder Fahrt- und Übernachtungskosten beantragen. Aber was ist mit der Frau im brandneuen Louis Vuitton-Look, die über die Straße hetzt um sich dringend noch mehr Kleider zu kaufen, obwohl ihr Schrank bereits überquillt? Oder der Beamte, der heimlich in die Tochter seines Chefs verknallt ist, von dem er täglich schikaniert wird? Was ist mit bestimmten Politikern, Sportlern oder Popstars; was ist mit der nervigen Kassiererin, den komischen Nachbarn aus der zweiten Etage oder diesem abgefuckten Typen, dem ich ständig begegne? Wer oder was ist überhaupt ein Härtefall? – In der Spielzeit 2010/11 wollen wir uns auf die Suche begeben, nach den härtesten, normalsten, offensichtlichsten und verstecktesten Härtefällen.