Ab einem gewissen Grad ökonomischer Sicherheit will man nicht mehr denken, ist Denken die Überwindung von Widerstand, viel zu anstrengen. Da geht man lieber ins Kino oder genießt die Leere, die der Fernseher erzeugt. Das ist der Faktor, der die Aufklärung scheitern ließ. Ab einem gewissen Punkt gehen die Entwicklung der Ökonomie und des Bewusstseins scherenartig auseinander. Erst wenn die Ökonomie nicht mehr das Bewusstsein determiniert, kann sich jeder Mensch zum Künstler emanzipieren, also seinen Träumen nachjagen. Das lässt sich auch als Offensive der Kunst gegen die Ökonomie begreifen.
Die Reflexion ist am Ende, die Zukunft gehört der Kunst. Heiner Müller im Interview mit Frank J. Raddatz, 1991
Eine Wohnung in Frankenberg/Sachsen. Ein Mann kommt zur Tür herein und schreit: „Heiner ist tot!“ Ab da dreht sich der Abend um Heiner Müller.
Die szenische Lesung verbindet Heiner Müllers Prosatexte mit eigenen Texten, die sich auch auf die gegenwärtige Situation der Cammerspiele beziehen. Das Untopie- und Apokalypse-Motiv in Müllers Werk wird hier eine besondere Rolle spielen. Wir befinden uns in einer „leeren Zeit“, einer Übergangsphase. Der „Theatertod“ ist zwar in weite Ferne gerückt, schwebt aber im Angesicht der Wirtschaftskrise über allen Kultureinrichtungen. Wir wollen ihm ersthaft, aber auch ironisch begegnen.
In diesem Jahr wäre Heiner Müllers 80. Geburtstag. Durch seine Abwesenheit an diesem Abend müssen wir also die Fragen, die wir an das Theater haben, versuchen selbst zu beantworten …
LVZ: „Diese unterhaltsame Retrospektive zeigt, dass der Meister der Erzählkunst und seine faszinierend morbide, zwischen nüchtern und poetisch pendelnde Sprache sehr lebendig ist. Eine runde Sache, die im Spielplan bleben sollte.“