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ÜBER MORGEN

Ein theatraler Audiowalk durch eine Stadt, die es noch nicht mal gibt | von DIE SOZIALE FIKTION

Wie viel kostet der Quadratmeter Boden, auf dem du gerade stehst?

ÜBER MORGEN ist ein theatraler Audiowalk zwischen Hör-Essay, Erinnerung und Geistergeschichte über die Brachfläche hinter dem Bayerischen Bahnhof. Begleitet von Stimmen aus Vergangenheit und Zukunft begibt sich das Publikum auf einen Spaziergang durch ein unsichtbares Neubauviertel – bis sich das Gras unter den Füßen wie Asphalt anfühlt.

Foto: Mim Schneider

Zwischen der Südvorstadt und der Straße des 18. Oktober, direkt hinter dem Torbogen des Bayerischen Bahnhofs befindet sich – fast nichts. Ein paar Bäume und Hecken. Eine trockene Wiese mit Trampelpfaden. Die verlassenen, halb zerfallenen Ruinen einer Essiggurkenfabrik. Hier und da tummeln sich Hunde und ihre Besitzerinnen, Spaziergänger schlendern an der Bahnstrecke entlang, von irgendwoher sind Skateboards zu hören. Dazwischen eine Gestalt mit Rollkoffer, die seltsam deplatziert wirkt.

Noch gibt es nichts, das die nahe Zukunft verrät. Noch liegt die Brachfläche wie im Dornröschenschlaf unter den wachsamen Augen des angrenzenden Wohnblocks und schlummert ahnungslos. Wovon träumt sie?

Mit dem Audiowalk ÜBER MORGEN begibt sich DIE SOZIALE FIKTION auf eine Erkundungstour über die Brachfläche am Bayerischen Bahnhof. Für manche ist sie ein ärgerlicher Schandfleck in der Stadtlandschaft, andere nutzen den Freiraum als zentrumsnahen Erholungsort; viele kennen die Brache erst gar nicht. Und bald wird sie verschwunden sein: Denn in Kürze beginnt hier der Bau einer neuen, kleinen Stadt, die bisher nur im Modell existiert. Entsteht dabei ein lebendiges Viertel für alle oder ein exklusives Wohngebiet, das sich nur wenige leisten können? Bringt das groß angelegte Bauprojekt Entspannung in den Leipziger Wohnungsmarkt?  Wohin gehen die Hunde, wenn die Freifläche nicht mehr existiert?

ÜBER MORGEN inszeniert die Brachfläche als eine flirrende Traumlandschaft zwischen Nicht-Mehr und Noch-Nicht: Ausgestattet mit Kopfhörern begibt sich das Publikum in kleinen Gruppen auf eine imaginäre Tour durch eine zukünftige Stadt. Es folgt den Spuren einer geisterhaften Figur, deren Rollkoffer über den unebenen Boden rumpelt: Mit einem Kaffeebecher in der Hand streift sie durch die Brache und sieht aus, als wäre sie aus einem Architekturmodell herausgefallen. Auf dem Spaziergang durch das unsichtbare Neubauviertel trifft sie auf Stimmen, die von der Vergangenheit und Zukunft des Ortes berichten.


Von: Katharina Böbel, Marten Flegel, Manuel Melzer, Jasmina Rezig

Dank an: Ingrid, Renate, Bärbel, Sandra Sancelean, Felix Worpenberg, Christopher Zenker,
Josi und Ursula von der MieterGemeinschaft Schönefelder Höfe


Eine Produktion von DIE SOZIALE FIKTION in Kollaboration mit Jasmina Rezig und Katharina Böbel, in Koproduktion mit den Cammerspielen Leipzig, in Kooperation mit dem Bürgerverein Messemagistrale e.V.


Christoph Awe | Leipziger Volkszeitung | 01.10.2020: „Die Berichte der Zeitzeuginnen sind es, die den Abend so gut und gleichzeitig authentisch machen …  ein Abend, der zum Nachdenken anregt, der auf wichtige aktuelle Diskurse aufmerksam macht und gleichzeitig, gerade dem jüngeren Publikum, spannende Einblicke in die Geschichte der Entwicklung der Stadt gibt, in der es lebt.“


DIE SOZIALE FIKTION (Leipzig/Hildesheim/Zürich) ist ein Zusammenschluss aus Performer*innen, Autor*innen, Organisator*innen und DIY Künstler*innen. In wechselnden Kollaborationen entstehen seit 2012 (Theater-)Arbeiten, die Gesellschaftskritik mit der lustvollen Analyse persönlicher Widersprüche und des kollektiven Unbewussten verbinden: Alles ein bisschen verwackelt, alles etwas verschoben. Performances unter 300dpi. Eine immer wieder ausgesprochene Einladung ans Publikum sich aus der Verletzlichkeit heraus zu verbinden.
Die Arbeiten der Gruppen wurden deutschlandweit und darüber hinaus an Theatern und Festivals gezeigt (u.a. LOFFT Leipzig, Schwankhalle Bremen, Roxy Birsfelden/Basel, Beursschouwburg Brüssel). Mit der Produktion „Render Ghosts“ begann 2019 eine Auseinandersetzung mit Neubauprojekten, Stadtentwicklung und den Zukunftsvisionen in Architekturmodellen, die mit dem Audiowalk ÜBER MORGEN weitergeführt wird. Infos: www.sozialefiktion.org, https://www.facebook.com/sozialefiktion/